KUNST FÜR DIE SEELE oder was ein Museumsbesuch mit dem Nachtwald Perelin zu tun hat…

Um die in der Kinder- und Jugendpsychiatrie tätigen Lehrerinnen und Lehrer, zu unterstützen, hat sich 1992 der Arbeitskreis “SchuPs - Schule und Psychiatrie“ gebildet. Er ist bundesweit tätig, veranstaltet Tagungen und gibt auch eine Fachzeitschrift heraus. Jetzt ist dort ein Artikel erschienen zu 'Kunst für die Seele' - Museumsführungen für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Er stammt von Ellen Westphal, die Sonderschullehrerin ist an der Johann-Christoph-Winters-Schule, Schule für Kranke in Köln.


[Haegue Yang, 5, Rue Saint-Benoît, 
Museum Ludwig, Köln, 2018, © Haegue Yang]

Bastian, ein kleiner, zurückhaltender Junge, der sich als Versager fühlt, wird auf dem Dachboden lesend, die Schule schwänzend zum Held einer phantastischen, unendlichen Geschichte. Die Rede ist von Michael Endes Buch „Die unendliche Geschichte“, in der besagter Bastian „nicht bloß am Rande, sondern sogar als entscheidende Figur (auftritt). Seine traurige Dachbodenwirklichkeit stülpt sich um in ein bodenloses Leben wie im Roman,.…“ Bastian selbst wird Teil der Geschichte, er ist wichtig und bedeutend. (Jürgen Lodemann, ZeitOnline, 2012)

Die Schülerinnen und Schüler unserer Schule, der Johann-Christoph-Winters-Schule, sind alles andere als Versager, doch gibt es sicherlich Momente, in denen sie sich „anders“ fühlen. Es ist ihnen aus vielfältigen Gründen zum Zeitpunkt ihres Schulbesuchs bei uns, nicht möglich eine Allgemeine Schule zu besuchen, sehr oft sogar fällt es ihnen schwer, den Schonraum unserer Schule überhaupt zu verlassen.

Und dann stellen wir Lehrer das Projekt „Kunst für die Seele“ vor und wünschen uns einen gemeinsamen Museumsbesuch, ein Verlassen des Schonraums, ein Eintreten in einen Öffentlichen Raum der Hochkultur. Sehr oft haben wir Schülerstimmen gehört wie: „Ich kenne mich mit Kunst nicht aus… oder… Können wir nicht stattdessen ins Schokoladenmuseum gehen?“ Doch viele Schüler haben nach dem gemeinsamen Museumsbesuch mit Jochen Schmauck-Langer anderes berichtet.
Was genau macht es also aus, dieses Projekt „Kunst für die Seele - Museum erleben“?
Seit 2015 besuchen Schülergruppen der Johann-Christoph-Winters-Schule, Schule für Kranke in Köln gemeinsam mit Jochen Schmauck-Langer die Kölner Museen Ludwig, Wallraf-Richartz und das Kolumba Kunstmuseum. Herr Schmauck-Langer, Kunstbegleiter und Kulturgeragoge ist Entwickler der Teilhabeorientierten Vermittlung. Ursprünglich im Demenzbereich eingesetzt und langjährig erprobt, begann Herr Schmauck-Langer im Rahmen des gemeinsamen Projektes der Eckhard Busch Stiftung, der KölnRing gGmbH, des Museumsdienstes der Stadt Köln und der Johann-Christoph-Winters-Schule, dieses Vermittlungskonzept auch auf den Bereich der Jugend- und Erwachsenenpsychiatrie auszuweiten.
Ziel der teilhabeorientierten Vermittlung ist es, den Akteuren möglichst viel Raum zu geben, dass sie ihre Gedanken und Ideen zum Ausdruck bringen. Die Herangehensweise ist dabei sehr individuell - während der eine Jugendliche ein wenig mehr Unterstützung benötigt, ist bei anderen eine besondere Zurückhaltung gefragt. Im Vorfeld werden zunächst drei, vier Kunstobjekte sorgfältig nach den Kriterien der teilhaberorientierten Vermittlung ausgewählt. Die Jugendlichen entdecken gemeinsam diese Objekte, auf der Basis dessen, was für alle zu sehen bzw. sinnlich zu erfahren ist und bringen ihre jeweiligen Ressourcen ein. Dabei ist es für den Kunstbegleiter wichtig, in einen Kontakt auf Augenhöhe zu treten. Es wird über die einzelnen Kunstwerke gesprochen, Fragen und Äußerungen werden provoziert, ohne dass es dabei um ein „Richtig“ oder „Falsch“ ginge. Museum ist hier kein außerschulischer Lernort.
Dies gelingt durch viel Lob, Anerkennung und Ermutigung der Schülerinnen und Schüler. Es geht darum, dass sie selbst ihre Kompetenzen als soziale Erfahrung im öffentlichen Raum erleben.
Alles in allem kann es so gelingen, dass die Schülerinnen und Schüler selbst zu Akteuren werden - oder um auf die „Unendliche Geschichte“ zurückzukommen, sie werden hineingezogen, bleiben nicht nur am Rande stehen, sondern ihre Meinung, ihre Aktionen sind gefragt. Besonderen Anklang bei den Schülerinnen und Schülern der Klassen 6 bis 10+ (Oberstufenschüler) fand die Ausstellung von Haegue Yang im Museum Ludwig (Haegue Yang: ETA 1994–2018. Wolfgang-Hahn-Preis 2018).

[Installationsansicht Series of Vulnerable Arrangements – Seven Basel
Lights, 2007 (Detail), Haegue Yang: ETA 1994–2018. Museum Ludwig, Köln, 2018, © Haegue Yang]

Dem Kunstwerk einen Namen geben, einen Namen, den ich als passend empfinde. So kam es, dass ein mit bunten Lichterketten behangener Infusionsständer der Arbeit „Series of Vulnerable Arrangements – Seven Basel Lights“ zum „Nachtwald Perelin“ wurde. Der Nachtwald aus der „Unendlichen Geschichte“ der allmorgendlich zur Farbwüste Goab zerfällt. Oder, dass die farbig leuchtenden mit Jalousien versehenen Kisten und Kästen mit dem Titel „5, Rue Saint-Benoît“ auf den zweiten oder dritten Blick wurden, was auch damit gemeint sein könnte - nämlich zum „Goldenen Käfig“, ein Gefängnis, welches zwar hübsch erscheint, vor neugierigen Augen Schutz bieten kann, mich trotzdem einengt und mir meine Freiheiten nimmt. Besonders ist, dass es Jochen Schmauck-Langer gelingt, in Beziehung zu den Jugendlichen zu gehen, sie ernst zu nehmen. Wir als Lehrer treten einen oder auch zwei Schritte zurück. Dies spürend, können sich wunderbare Dialoge entwickeln, an denen sich auch die eher zurückhaltenden Schülerinnen und Schüler beteiligen - denn die Meinung jedes Einzelnen ist wichtig und alle Meinungen haben Raum, nebeneinander stehen zu bleiben.

Der Geschäftsführerin und Mitgründerin der Eckhard Busch Stiftung, Bettina Busch, ist es mit „Kunst für die Seele - Museum erleben“ gelungen, in Kooperation mit (de)mentia+art, der Johann-Christoph-Winters-Schule, der Köln-Ring gGmbH, dem Museumsdienst der Stadt Köln und dem Kolumba Kunstmuseum ein besonderes Projekt ins Leben zu rufen, das vielen Menschen aller Altersgruppen kulturelle Teilhabe ermöglicht, sodass sie eine schöne Zeit im Museum erleben können.

Kontakt Ellen Westphal, Johann-Christoph-Winters-Schule, Schule für Kranke in Köln, Lindenburger Allee 38, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!



Hinweis Von 25. - 27.06. 2019 findet eine erste Fortbildung zu diesen Führungen statt. Sie richtet sich an Fachkräfte in der psycho-sozialen Begleitung, Lehrkräfte in diesem Bereich und Museumsmitarbeiterinnen, die solche Angebote in ihren Häusern ermöglichen wollen.

Weitere Infos: H i e r

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