Hannes Kreschmer


[Foto: Micea Iancu, Pexels]

Hannes Kreschmer ist 81 Jahre alt. Er wurde in einem Arbeiterbezirk in Berlin-Wedding geboren. Der Vater war Arbeiter im Straßenbau, die Mutter Hausfrau und Näherin. 3 jüngere Geschwister. Der Vater fällt in den letzten Kriegstagen. Als Ältester muss er nach dem Krieg die Mutter unterstützen, zurückstehen. Wenige Jahre Volksschule, keine Lehre. Arbeit auf dem Bau im sozialistischen Kollektiv. Wird Mitglied der Partei. Nach Arbeitsunfall, der sein linkes Bein verkürzt, Fußballplatzwart. Kettenraucher. Gründet keine Familie, lebt nie mit einer Frau zusammen.

Später verschlägt es ihn ins Rheinland. Er liebt Volkslieder, Schlager und Rock ‘n‘ Roll-Musik der 50er Jahre. Er entwickelt eine Alzheimer Demenz. Bei Untersuchungen wird zudem ein Herzklappenfehler festgestellt. Seit 3 Jahren in einer Pflegeeinrichtung. Gilt als herausfordernd. Meist hält er sich mit seinem Rollator im Eingangsbereich des Seniorenheims auf, um jederzeit zum Rauchen vor die Tür zu können.

Einmal bekommt er mit, wie an dem kaum genutzten Klavier im angrenzenden Essensbereich, ein Konzertpianist spielt. Der besucht in dem Heim seine Tante. Klassische Musik, Chopin, Beethoven. Das Instrument klingt durch das ganze Haus. Der Pianist spielt fast ein Stunde lang für seine Tante und einige andere Zuhörer. Hannes Kreschmer setzt sich mit seinem Rollator dazu. Er hört die ganze Zeit über zu, ruhig, konzentriert, geht erst hinterher hinaus, um zu rauchen. Tage später fordert er die Leiterin des Hauses auf, „was Geld lockerzumachen, damit der am Klavier wiederkommen kann!“
Zusammen mit einer kleinen Gruppe aus seiner Einrichtung hat Hannes Kreschmer am letzten Kammerkonzert von WDR Sinfonieorchester und (de)mentia+art für Menschen mit Demenz teilgenommen. Bevor sie das Konzerthaus betraten, hat er noch einmal geraucht. Drinnen hörte er dann 60 Minuten lang den Streichern und einem Pianisten zu, die das Forellenquintett von Franz Schubert spielten.

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