Von Wien über Köln nach London

Am 18. Juni 2015 fand in Slough, einer Stadt im Süden Englands nahe Schloss Windsor, die Abschlussveranstaltung einer zweijährigen Lern-Partnerschaft von acht Partnerorganisationen aus sieben EU-Ländern statt. Die Europäische Kommission hat diese Partnerschaft mit dem Namen WeDO2 „Für Würde und Wohlbefinden älterer Menschen“ im Grundtvig-Programm in den Jahren 2013 – 2015 gefördert. Neben der Förderung von Mobilität und dem besseren Verständnis für Vielfalt und Wert der europäischen Kulturen und Sprachen sollen vor allem innovative Verfahren für die Erwachsenenbildung entwickelt werden.

Im nachfolgenden Bericht schildet Margit Scholta, die für ProSenectute, Österreich, an dem Projekt und der Abschlusstagung teilnahm, ihre Erfahrungen und den Besuch der Gruppe bei dementia+art in Köln.


Grundtvig fördert Lernende, Lehrende und Organisationen in der Erwachsenenbildung. Das Programm unterstützt dabei neue Wege der Zusammenarbeit in Europa. Personen in der Erwachsenenbildung bekommen durch Auslandsaufenthalte und Projekte neue Kompetenzen und Fähigkeiten - für Beruf und persönliche Entwicklung. Die Vertreterinnen und Vertreter der sieben Nationen haben in dem zweijährigen Projekt unter anderem Methoden und Werkzeuge entwickelt, um das Bewusstsein für Gewalt an älteren Menschen zu wecken und damit einen Beitrag zur Gewaltprävention zu leisten.

Ein wesentlicher Teil des Projekts war für den Austausch von Erfahrungen und guten Praxisbeispielenunter den Vertreterinnen und Vertretern von Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden, Polen und Österreich vorgesehen. Beim das Projekt abschließenden EU-Event in Slough wurden die Highlights der Exkursionen anlässlich der Besuche in Athen, Bonn-Köln, Brüssel, Warschau und Hogeweyk (NL) vorgestellt.

[Duane Hanson: Woman with a purse; Museum Ludwig]

Ich entschied mich spontan für das Projekt „dementia+art“, das überaus beeindruckende Beispiel für die Inklusion von Menschen mit Demenz, das wir in Köln erleben durften.

Wir machten bei einer Museumsführung mit, die uns anschaulich vor Augen führte, was unwichtig ist und worauf es in der Begleitung von Menschen mit Demenz und die Unterstützung ihrer Angehörigen ankommt. Bei der Diskussion rund um „die Frau mit der Handtasche“ konnten wir sehen, dass kulturelle Teilhabe möglich ist, unabhängig von Alter oder Krankheitsstadium. Herr Schmauck-Langer hat deutlich gemacht, worauf der Fokus seines Projektes liegt: die Normalität und das gewohnte Leben, wie es vor dem Spürbarwerden der Krankheitssymptome geführt wurde, wieder möglich zu machen.

FÜHRUNGEN IM MUSEUM LUDWIG IN KÖLN

Nicht nur für den erkrankten alten Menschen hat sich die Welt verändert, auch die betreuenden Angehörigen haben häufig den „Draht“ nach außen verloren. Dies geschieht dann, wenn sich das Familienmitglied nicht so verhält, wie es den gesellschaftlichen Gewohnheiten entspricht. Die angebotenen Lösungsmöglichkeiten sehen in der Regel eine Trennung zwischen der „normalen“ Bevölkerung und den Menschen mit „herausforderndem“ Verhalten vor. Die Sprache ist hier sehr verräterisch: Welches Verhalten ist für wen herausfordernd? Diese Ausgrenzung ist für die Betroffenen und ihren Angehörigen gleichermaßen kränkend und krank machend.

Selbst wenn inzwischen viel über die Krankheit Demenz und entsprechende Konzepte der Betreuung und Begleitung publiziert wird, wurde das Tabu nicht aufgebrochen. Es hat sich nur verschoben: weg vom betretenen und verschämten Schweigen hin zur Panikmache und dem Zeichnen von Katastrophenszenarien. Dass Menschen betroffen sind, die mehr oder minder rasch die Verbindung zu ihrer Vergangenheit verlieren, geht in der allgemeinen Erregung unter.

AUSTAUSCH AUSGEHEN KOMMUNIKATION

Bei den Museumsführungen wie hier im Museum Ludwig und vier weiteren Kölner Museen geht es um Erinnerungen, um Anknüpfen an früher Gewohntes, um Gefühle und um das Dazugehören, so wie es „vorher“ war. Normales Leben, die Pflege kultureller Interessen, Austausch, Ausgehen und Kommunikation werden gelebt. Nicht das Museum kommt in eine Einrichtung, sondern von Demenz betroffene Kunstinteressierte besuchen die Ausstellungen wie andere Menschen auch. Sie erleben die Atmosphäre, das Licht und die Ausstrahlung der ausgestellten Kunstwerke.

Es war auch für uns Gäste ein berührender Moment, als wir am Ende der Führung mit den Worten „Und nun zeige ich Ihnen das schönste Bild des Museums“ zu einem Fenster geführt wurden, von dem aus wir den Kölner Dom beinahe zum Greifen nahe hatten.

Für mich war es ein ganz besonderes Erlebnis, da mein Vater das Lied „Ich möch zo Foß noh Kölle gon“, das Herr Schmauck-Langer abschließend dazu anspielte, sehr gerne sang und es mich meine ganze Kindheit begleitete.

Dies sodann in Slough bei der Abschlusstagung in englischer Sprache zu präsentieren war sicher eine Herausforderung für mich. Der Ansatz, nicht das Museum ins Haus, sondern die Menschen ins Museum zu bringen, war für viele neu und nachahmenswert. Zu groß ist doch meist die Angst vor Störungen oder unliebsamen Zwischenfällen. Aber die Fotos aus der Broschüre von dementia+art „Kulturelle Angebote für Menschen mit Demenz in Köln“ unterstützten mich und weckten bei den Zuhörerinnen und Zuhörern großes Interesse.

(Übrigens wird die Ausbildung zur Kulturgeragogin / zum Kulturgeragogen demnächst die Staatsgrenzen überschreiten – ein Seminar in Österreich ist geplant.)

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