'Person & Dementia'-Konferenz in der Akademie der Wissenschaften

Welchen Beitrag können Menschen mit Demenz für unsere Gesellschaft leisten?
Wie verändert diese Krankheit, die mittlerweile eine immer mehr um sich greifende 'Volkskrankheit' ist, unser Menschenbild?
Wie kann man Menschen mit Demenz verstehen?

Jochen Schmauck-Langer von dementia+art konnte an der international besetzten Abschlusskonferenz des "Person & Dementia" - Forschungsprojekts der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste (mit Sitz in Düsseldorf) teilnehmen. Es sollten Antworten gegeben werden.

Hochkarätige Wissenschaftler aus den USA, Großbritannien, Israel und Litauen tauschten sich mit führenden deutschen Wissenschaftlern aus mehreren Forschungsdisziplinen (Medizinern, Neurologen, Philosophen und Bioethikern) aus. Konkret ging es um Fragen der Lebensqualität, der Autonomie im Kontext von Demenz und der Haltung Betroffenen gegenüber. Konferenzsprache war Englisch.

Ethische Fragestellungen standen deutlich im Vordergrund. Demenz ist nach Tom Kitwood als ein Angriff auf unsere Vorstellung von Individualität und Autonomie zu verstehen. Zugleich wird durch die Krankheit unsere wechselseitige Beziehung als soziale Wesen deutlicher. Grundsätzlich sei es notwendig, Menschen mit Demenz als Teile der Gesellschaft anzusehen, die ihren Beitrag geben wollen, um „Welt“ und „Gesellschaft“ zu verstehen.

Als Menschen sind wir stets darauf angewiesen, die Handlungen von Menschen zu verstehen. Wir analysieren sie deshalb. Auch bei Menschen mit Demenz. Diese sind auch bei einem Versagen der Sprache noch in der Lage, sich in Hinsicht auf ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Die Umwelt muss sich bemühen, sie zu verstehen. Dieter Sturma stellte in diesem Kontext ein Modell aus der Ethnologie vor: "Thick description" (Dichte Beschreibung).

Herausragend Andreas Kruse, der Heidelberger Gerontologe, der mittlerweile legendär ist für die Art seiner Vorträge. Er zitierte den englischen Lyriker John Done: In der Art des Todes oder des Lebens eines Menschen (mit Demenz) sei auch die Art unseres Sterbens und Lebens (als Gattung) enthalten bzw. reflektiert.

Auf die dringliche Frage, wie man einer Demenz vorbeugen bzw. wie man sich auf sie einstellen kann, wären somit - abgesehen von den Ratschlägen für ein gesundes Leben (ausgewogene Ernährung, viel Bewegung, geistige Aktivitäten, ein Leben mit vielen sozialen Kontakten) - die möglichst frühe Einsicht notwendig, sich auf das durch Demenz veränderte und erweiterte Menschenbild einzustellen.
Kruse wies zudem auf den „aspect of continuity“ hin: Eine frühe Diagnose sei die Basis für Überlegungen und Maßnahmen, die eine Kontinuität des Lebensentwurfs der Person möglichst lange sichern sollen. Dies kann hoffnungsvoll und motivierend sein.

Emotionen sind wichtige Ressourcen von Menschen mit Demenz, um sich zu orientieren und am sozialen Leben teilzunehmen. Kruse nannte 'Splits of itself and identity" und wie man sie nutzen kann. Um solche Ressourcen anzusteuern, eignet sich besonders die Kultur mit ihren identifikations- und emotions-nahen Angeboten.

Jochen Schmauck-Langer sah die Arbeit von dementia+art natürlich als eine praktische Umsetzung dieses neurobiologisch abgeleiteten Entwurfs. Auf seine Frage nach 'Heimat' und 'Zuhause sein' als ein zentraler Wunsch von Menschen mit Demenz in stationären Einrichtungen, wurde auf Novalis verwiesen: 'Heimat' könne eine Bewegung zurück sein, die nach vorne führen kann.


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